HAUPTFIGUREN in Die Entdeckerin der Welt
Maria Sibylla Merian (1647-1717)
Maria Sibylla Merian war Künstlerin, Wissenschaftlerin, Unternehmerin und alleinstehende Mutter. Und mit ihrer Reise ins südamerikanische Suriname auch Abenteurerin.
Ihre Kunst hängt heute in Museen um die ganze Welt, ihr Buch und Opus magnum, Metamorphosis insectorum Suranimensium oder die Veränderung der surinamischen Insekten liegt in den Tresoren der Universitäts- und naturhistorischen Bibliotheken der Welt.
Wir kennen ihre Kunst und die Eckdaten ihres Lebens.
Aber wir wissen nicht viel über ihr Leben, wer Maria Sibylla tatsächlich war.
In Die Entdeckerin der Welt wird ihr Leben geschildert, wie es sich aufgrund von dem wenigen, was wir wissen, durchaus hätte zutragen können ab ihrer Ankunft in Amsterdam 1699 bis zum Erscheinen ihrer Metamorphosis insectorum Suranimensium 1705 und einigen Rückblenden in die Zeit davor.
Die Eckdaten:
1647: Geboren in Frankfurt am Main.
Ihr Vater war der aus Basel stammende Verleger und Kupferstecher Matthäus Merian der Ältere, ihre Mutter Johanna Catharina Sibylla Heim, war Merians zweite Frau.
Schon als kleines Kind liebte sie es, sich in der Werkstatt ihres Vaters aufzuhalten. Als Maria Sibylla drei Jahre alt war, starb ihr Vater. Ihre Mutter heiratete, wie damals üblich, nach ungefähr einem Jahr den Blumenmaler Jacob Marrel, und Maria Sibylla war fortan vor allem in der Werkstatt ihres Stiefvaters zu finden.
Ihre Mutter wollte zunächst nicht, dass die kleine Maria Sibylla das Malen lernte, sah aber letztendlich ein, dass ihre Tochter ein gewisses Talent hatte. Schon mit elf Jahren konnte sie kupferstechen und schon bald übertraf sie darin ihre Lehrer.
Als Kind bekam sie eine Seidenraupe geschenkt, die sie sogleich in ihren Bann zog.
Fortan züchtete sie Raupen, zeichnete und beschrieb, was sie sah.
Johannes Andreas Graff, ein ehemaliger Lehrling in der Werkstatt Marells in Frankfurt hielt nach der Rückkehr seiner Gesellenreise um Maria Sibyllas Hand an.
Am 16. Mai 1665 wurde der Bund der Ehe zwischen den beiden geschlossen.
1668: Johanna Helena, ihre erste Tochter, wird in Frankfurt geboren.
1670: Umzug nach Nürnberg
Maria Sibylla durfte als Frau nicht Mitglied der Zunft werden. Kleinere Formate mit Aquarell- oder Deckfarben (deckende Aquarellfarben) auf Papier oder Pergament durfte sie aber malen.
Außerdem stellte sie Farben her und verkaufte diese, und alles andere, was Maler so brauchten.
Sie übernahm Auftragsarbeiten, stickte (auch das hatte sie als Kind gelernt), bemalte Tafeltücher und gab Mal- und Stickunterricht an Frauen aus der Patrizierschicht. Vorherrschend waren dabei Blumenmotive.
Und natürlich beobachtete, zeichnete und beschrieb sie weiterhin Raupen, Puppen und Schmetterlinge.
Maria Sibylla publiziert bei ihrem Mann drei Blumenbände, die Florum Fasciculus Primus in den Jahren 1675, 1677 und 1680.
1678: zwischen dem Erscheinen des zweiten und dritten Bandes bringt sie ihre zweite Tochter, Dorothea Maria, zur Welt.
Noch bevor sie den dritten Band der Blumenbücher veröffentlicht, verlegt sie, auch bei ihrem Mann, ihr erstes Raupenbuch, die allesamt als Haupttitel heißen: Der Raupen wunderbare Verwandlung und sonderbare Blumennahrung.
1681: Maria Sibylla zieht mit ihren beiden Töchtern zurück nach Frankfurt, um ihre Mutter, die nach dem Tod Jacob Marells in Erbstreitigkeiten verwickelt war, zu unterstützen.
Johannes Andres Graff sollte seiner Familie später folgen.
1683: Maria Sibylla veröffentlicht in Frankfurt, und nicht mehr mit ihrem Mann, ihr zweites Raupenbuch.
1686: Umzug nach Wieuwerd
Maria Sibylla schließt sich, nachdem die Erbschaftsangelegenheiten zum Nachteil ihrer Mutter gerichtlich entschieden waren, gemeinsam mit ihrer Mutter der frühpietistischen Sekte der Labadisten an. Sie nimmt ihre beiden Töchter mit ins Schloss Waltha ins ost-friesische Wieuwerd, in dem die Sekte eine Lebensgemeinschaft bildet. Ihr Halbbruder Casper Merian, lebt dort bereits.
Auch ihr Mann ging mit, wurde aber nicht eingelassen.
Die Labadisten erklärten, sie seien nach ihren Gesetzen nicht verheiratet.
De facto hat Maria Sibylla durch ihre Wahl, zu den Labadisten zu ziehen und ihren Mann nicht mehr sehen zu wollen, die Scheidung vollzogen.
Das Leben dort war hart. Die Mitglieder durften ihre angestammte Arbeit nicht verrichten.
Maria Sibylla durfte dementsprechend nicht mehr malen. Wenigstens wissenschaftliche Untersuchungen wurden ihr noch zugestanden.
Wahrscheinlich wollte Maria Sibylla die Gemeinschaft mit ihren Töchtern schon recht schnell wieder verlassen, doch wollte sie dies ihrer Mutter nicht antun.
1690: Die Mutter Maria Sibyllas stirbt. Mit der Labadistengemeinde geht wirtschaftlich immer weiter bergabwärts. Es tritt eine Epidemie in der Gemeinde auf und so entscheidet sie sich, die Gemeinde zu verlassen.
1691: Umzug nach Amsterdam, gemeinsam mit ihren Töchtern, sowie Jacob Hendrik Herolt, dem Mann Johannas.
In Amsterdam macht sich Maria Sibylla sofort daran, die Jungfern-Companie mit ihren Töchtern wiederzubeleben. Sie geben Malkurse, verkaufen Farben und Malutensilien. Maria Sibylla macht sich auch unverzüglich auf, sich mit der High Society zu vernetzen. Sie hat wohl schon von vorne herein ein Ziel: Sie möchte in das südamerikanische Suriname reisen.
Schon in Wieuwerd hat sie Schmetterlinge von dort gesehen, die größer und vor allem schöner waren als alles, was sie bisher aus Deutschland, Friesland und Holland kannte.
1699–1701: Reise nach Suriname
Maria Sibylla reist mit ihrer jüngeren Tochter Dorothea nach Suriname. Die Niederländer in Suriname erklären sie für verrückt: Was um alles in der Welt, will sie denn in diesen undurchdringlichen Regenwäldern, in denen es vor Stechmücken nur so wimmelt.
Auf den Plantagen arbeiten Sklaven, die von Sklavenhändlern aus Afrika geraubt oder gekauft wurden und nach Suriname verschifft wurden. Einheimische Sklaven arbeiteten meist nicht auf den Feldern, sondern in den Haushalten der Plantagenbesitzer oder Verwalter.
Aller Wahrscheinlichkeit hatte auch Maria Sibylla mindestens eine Sklavin, eine Einheimische, oder wie die Holländer die Einheimischen damals nannte, „Indianerin“.
Mehr als eine Notiz in der Passagierliste auf der Rückreise, in der die „Indianerin“ genannt wird, ist über diese Frau nicht bekannt. Maria Sibylla selbst schreibt nie über sie. Somit ist uns ihr Name auch nicht bekannt. In Die Entdeckerin der Welt hat sie aber einen Namen: Kapelka.
Aufgrund der Passagierliste ist auch deutlich, dass Maria Sibylla Kapelka mit nach Amsterdam genommen hat.
1701: Maria Sibylla verlässt Suriname Hals über Kopf, weil sie mehr tot als lebendig ist. Wahrscheinlich hat sie die Schlechte-Luft-Krankheit. Heute bekannt als Malaria.
1705: Die Metamorphosis insectorum Suranimensium oder die Veränderung der surinamischen Insekten erscheint. Dies Buch macht Maria Sibylla „weltberühmt“ sowohl in der Kunst- als auch in der Gelehrtenwelt.
1713 und 1714: Maria Sibylla und Dorothea publizieren die ins Niederländisch übersetzten ersten beiden Bände der Raupenbücher aus dem Jahr 1675 und 1677.
1714: Maria Sibylla erleidet einen Schlaganfall, von dem sie sich nicht mehr wirklich erholen wird. Sie ist teilweise gelähmt.
1717: Maria Sibylla stirbt mit 69 Jahren und wird damit älter als die meisten Menschen zu ihrer Zeit. Zar Peter der Große und dessen Leibarzt erwerben einen großen Teil ihrer Kunstwerke.
1717: Dorothea gibt posthum das dritte Raupenbuch heraus.
1719: Eine neue Auflage der Metamorphosis erscheint in Amsterdam. Dieses Mal nicht mit 60 sondern mit 72 Bildtafeln, die wahrscheinlich von Dorothea stammen.
Maria Sibylla gilt bis heute als die erste Ökologin, und als die Frau, die die Schönheit in die Kunst brachte.
Johannes Andreas Graff (1636-1701)
In Nürnberg geboren und aufgewachsen, kam Andreas Graff 1653 als siebzehnjähriger nach Frankfurt in die Malerlehre bei Jacob Marrell, dem Stiefvater Maria Sibylla Merians.
Nach dem Beenden der Ausbildung ging er 1658 auf Wanderschaft und heiratete nach seiner Rückkehr 1664 die elf Jahre jüngere Maria Sibylla.
Noch im Jahr der Geburt ihrer ersten Tochter Johanna Helena übersiedelte das Paar nach Nürnberg, in die alte Heimat des Andreas Graff. Dort wurde 1678 auch ihre zweite gemeinsame Tochter Dorothea Helena (1668) geboren.
Mit dem Tod Jacob Marrels und den einhergehenden Erbschaftsangelegenheiten, zog Maria Sibylla mit den Töchtern wieder nach Frankfurt. Andreas Graff folgte ihnen später.
Als Maria Sibylla mit ihren Töchtern und ihrer Mutter in die pietistische Sekte der Labadisten auf Schloss Waltha im niederländisch-friesischen Wieuwerd zogen, erhielt Andreas Graff dort keinen Einlass. Auch auf wiederholtes, flehentliches Bitten am Schlosstor, wurde ihm der Eintritt verwehrt.
Schließlich kehrte er zurück und reichte nach langem Zögern doch die Scheidung ein. Sie wurde ihm von Nürnberger Rat 1694 bewilligt.
Im selben Jahr heiratete Andreas Graff die dreißig Jahre jüngere Anna Maria Hofmann, mit der er noch zwei Söhne haben wird.
Andreas Graff galt als Pionier der Stadtansichten und Architekturmaler. Seine Werke gelten in ihrer filigranen und detailreichen Art noch immer als Meisterwerke und haben das Bild über das barocke Nürnberg bis heute geprägt.
Johanna Helena Herolt, geborene Graff (1668-1730)
Die ältere Tochter von Maria Sibylla Merian und Andreas Graff. Geboren noch in Frankfurt am Main vor dem Umzug des jungen Paares nach Nürnberg. Sie erhielt unter anderem von ihren Eltern schon früh eine Ausbildung im Aquarellieren, Kupferstechen und dem perspektivischen Zeichnen.
In Wieuwerd lernt sie Jacob Hendrik Herolt kennen und lieben. Die beiden heiraten noch dort nach dem Ritus der Labadisten. In Amsterdam angekommen, müssen sie noch einmal heiraten, da die Stadt die Eheschließung der Labadisten nicht anerkennt.
Johanna Helena formte gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrer jüngeren Schwester Dorothea Maria die Jungfern-Compagnie, in der sie Malkurse gaben, allerlei Utensilien für das Malen verkauften, Farben selbst herstellten und verkauften.
Außerdem haben die drei Frauen, unter Anleitung der Mutter, viele der Kunstwerke gemeinsam, meist in Arbeitsteilung, geschaffen. Da sich die Werke so besser und teuer verkaufen ließen, taten sie dies oft unter dem Namen von Maria Sibylla Merian. In der Zwischenzeit werden einige der Werke, die früher als Werke Maria Sibyllas angesehen wurden, Johanna Helena zugeschrieben. Unter anderem für Agnes Block als auch für den Moninckx Atlas hat Johanna Helena unter eigenem Namen gearbeitet.
Als ihre Mutter und Schwester nach Suriname reisen, bleibt sie mit ihrem Mann in Amsterdam zurück. 1700 wird ihre Tochter Maria Abigail Herolt geboren.
1711 zieht sie mit ihrem Mann Jacob Herolt nach Paramaribo in Suriname. Dort sammelt sie Reptilien, Fische und Insekten, um sie an Sammler in ganz Europa zu verkaufen. Außerdem sammelt sie Pflanzen für den Hortus Medicus in Amsterdam. 1714 kehrt Johanna Maria kurze Zeit nach Amsterdam zurück, nachdem ihre Mutter wahrscheinlich aufgrund eines Schlaganfalls teilweise gelähmt war. Sie malt dann wieder unter dem Namen ihrer Mutter. 1715 stirbt ihr Mann Jacob Herolt.
Johanna Helena stirbt im Alter von 62 Jahren 1730 in Paramaribo. Sie wird als eine wichtige Nachfolgerin ihrer Mutter angesehen.