top of page

HAUPTFIGUREN in Die Entdeckerin der Welt

Alle Personae
 Maria Sibylla Merian (1647-1717)

Maria Sibylla Merian war Künstlerin, Wissenschaftlerin, Unternehmerin und alleinstehende Mutter. Und mit ihrer Reise ins südamerikanische Suriname auch Abenteurerin.

 

Ihre Kunst hängt heute in Museen um die ganze Welt, ihr Buch und Opus magnum, Metamorphosis insectorum Suranimensium oder die Veränderung der surinamischen Insekten liegt in den Tresoren der Universitäts- und naturhistorischen Bibliotheken der Welt.

 

Wir kennen ihre Kunst und die Eckdaten ihres Lebens.

Aber wir wissen nicht viel über ihr Leben, wer Maria Sibylla tatsächlich war.

 

In Die Entdeckerin der Welt wird ihr Leben geschildert, wie es sich aufgrund von dem wenigen, was wir wissen, durchaus hätte zutragen können ab ihrer Ankunft in Amsterdam 1699 bis zum Erscheinen ihrer Metamorphosis insectorum Suranimensium 1705 und einigen Rückblenden in die Zeit davor.

 

Die Eckdaten:

 

1647: Geboren in Frankfurt am Main.

Ihr Vater war der aus Basel stammende Verleger und Kupferstecher Matthäus Merian der Ältere, ihre Mutter Johanna Catharina Sibylla Heim, war Merians zweite Frau.

 

Schon als kleines Kind liebte sie es, sich in der Werkstatt ihres Vaters aufzuhalten. Als Maria Sibylla drei Jahre alt war, starb ihr Vater. Ihre Mutter heiratete, wie damals üblich, nach ungefähr einem Jahr den Blumenmaler Jacob Marrel, und Maria Sibylla war fortan vor allem in der Werkstatt ihres Stiefvaters zu finden.

 

Ihre Mutter wollte zunächst nicht, dass die kleine Maria Sibylla das Malen lernte, sah aber letztendlich ein, dass ihre Tochter ein gewisses Talent hatte. Schon mit elf Jahren konnte sie kupferstechen und schon bald übertraf sie darin ihre Lehrer.

 

Als Kind bekam sie eine Seidenraupe geschenkt, die sie sogleich in ihren Bann zog.

Fortan züchtete sie Raupen, zeichnete und beschrieb, was sie sah.

 

Johannes Andreas Graff, ein ehemaliger Lehrling in der Werkstatt Marells in Frankfurt hielt nach der Rückkehr seiner Gesellenreise um Maria Sibyllas Hand an.

Am 16. Mai 1665 wurde der Bund der Ehe zwischen den beiden geschlossen.

 

1668: Johanna Helena, ihre erste Tochter, wird in Frankfurt geboren.

 

1670: Umzug nach Nürnberg

Maria Sibylla durfte als Frau nicht Mitglied der Zunft werden. Kleinere Formate mit Aquarell- oder Deckfarben (deckende Aquarellfarben) auf Papier oder Pergament durfte sie aber malen.

Außerdem stellte sie Farben her und verkaufte diese, und alles andere, was Maler so brauchten.

Sie übernahm Auftragsarbeiten, stickte (auch das hatte sie als Kind gelernt), bemalte Tafeltücher und gab Mal- und Stickunterricht an Frauen aus der Patrizierschicht. Vorherrschend waren dabei Blumenmotive.

Und natürlich beobachtete, zeichnete und beschrieb sie weiterhin Raupen, Puppen und Schmetterlinge.

 

Maria Sibylla publiziert bei ihrem Mann drei Blumenbände, die Florum Fasciculus Primus in den Jahren 1675, 1677 und 1680.

 

1678: zwischen dem Erscheinen des zweiten und dritten Bandes bringt sie ihre zweite Tochter, Dorothea Maria, zur Welt.

 

Noch bevor sie den dritten Band der Blumenbücher veröffentlicht, verlegt sie, auch bei ihrem Mann, ihr erstes Raupenbuch, die allesamt als Haupttitel heißen: Der Raupen wunderbare Verwandlung und sonderbare Blumennahrung.

 

1681: Maria Sibylla zieht mit ihren beiden Töchtern zurück nach Frankfurt, um ihre Mutter, die nach dem Tod Jacob Marells in Erbstreitigkeiten verwickelt war, zu unterstützen.

Johannes Andres Graff sollte seiner Familie später folgen.

 

1683: Maria Sibylla veröffentlicht in Frankfurt, und nicht mehr mit ihrem Mann, ihr zweites Raupenbuch.

 

1686: Umzug nach Wieuwerd

Maria Sibylla schließt sich, nachdem die Erbschaftsangelegenheiten zum Nachteil ihrer Mutter gerichtlich entschieden waren, gemeinsam mit ihrer Mutter der frühpietistischen Sekte der Labadisten an. Sie nimmt ihre beiden Töchter mit ins Schloss Waltha ins ost-friesische Wieuwerd, in dem die Sekte eine Lebensgemeinschaft bildet. Ihr Halbbruder Casper Merian, lebt dort bereits.

Auch ihr Mann ging mit, wurde aber nicht eingelassen.

Die Labadisten erklärten, sie seien nach ihren Gesetzen nicht verheiratet.

De facto hat Maria Sibylla durch ihre Wahl, zu den Labadisten zu ziehen und ihren Mann nicht mehr sehen zu wollen, die Scheidung vollzogen.

 

Das Leben dort war hart. Die Mitglieder durften ihre angestammte Arbeit nicht verrichten.

Maria Sibylla durfte dementsprechend nicht mehr malen. Wenigstens wissenschaftliche Untersuchungen wurden ihr noch zugestanden.

 

Wahrscheinlich wollte Maria Sibylla die Gemeinschaft mit ihren Töchtern schon recht schnell wieder verlassen, doch wollte sie dies ihrer Mutter nicht antun.

 

1690: Die Mutter Maria Sibyllas stirbt. Mit der Labadistengemeinde geht wirtschaftlich immer weiter bergabwärts. Es tritt eine Epidemie in der Gemeinde auf und so entscheidet sie sich, die Gemeinde zu verlassen.

 

1691: Umzug nach Amsterdam, gemeinsam mit ihren Töchtern, sowie Jacob Hendrik Herolt, dem Mann Johannas.

 

In Amsterdam macht sich Maria Sibylla sofort daran, die Jungfern-Companie mit ihren Töchtern wiederzubeleben. Sie geben Malkurse, verkaufen Farben und Malutensilien. Maria Sibylla macht sich auch unverzüglich auf, sich mit der High Society zu vernetzen. Sie hat wohl schon von vorne herein ein Ziel: Sie möchte in das südamerikanische Suriname reisen.

 

Schon in Wieuwerd hat sie Schmetterlinge von dort gesehen, die größer und vor allem schöner waren als alles, was sie bisher aus Deutschland, Friesland und Holland kannte.

 

1699–1701: Reise nach Suriname

Maria Sibylla reist mit ihrer jüngeren Tochter Dorothea nach Suriname. Die Niederländer in Suriname erklären sie für verrückt: Was um alles in der Welt, will sie denn in diesen undurchdringlichen Regenwäldern, in denen es vor Stechmücken nur so wimmelt.

 

Auf den Plantagen arbeiten Sklaven, die von Sklavenhändlern aus Afrika geraubt oder gekauft wurden und nach Suriname verschifft wurden. Einheimische Sklaven arbeiteten meist nicht auf den Feldern, sondern in den Haushalten der Plantagenbesitzer oder Verwalter.

 

Aller Wahrscheinlichkeit hatte auch Maria Sibylla mindestens eine Sklavin, eine Einheimische, oder wie die Holländer die Einheimischen damals nannte, „Indianerin“.

 

Mehr als eine Notiz in der Passagierliste auf der Rückreise, in der die „Indianerin“ genannt wird, ist über diese Frau nicht bekannt. Maria Sibylla selbst schreibt nie über sie. Somit ist uns ihr Name auch nicht bekannt. In Die Entdeckerin der Welt hat sie aber einen Namen: Kapelka.

 

Aufgrund der Passagierliste ist auch deutlich, dass Maria Sibylla Kapelka mit nach Amsterdam genommen hat.

 

1701: Maria Sibylla verlässt Suriname Hals über Kopf, weil sie mehr tot als lebendig ist. Wahrscheinlich hat sie die Schlechte-Luft-Krankheit. Heute bekannt als Malaria.

 

1705: Die Metamorphosis insectorum Suranimensium oder die Veränderung der surinamischen Insekten erscheint. Dies Buch macht Maria Sibylla „weltberühmt“ sowohl in der Kunst- als auch in der Gelehrtenwelt.

 

1713 und 1714: Maria Sibylla und Dorothea publizieren die ins Niederländisch übersetzten ersten beiden Bände der Raupenbücher aus dem Jahr 1675 und 1677.

 

1714: Maria Sibylla erleidet einen Schlaganfall, von dem sie sich nicht mehr wirklich erholen wird. Sie ist teilweise gelähmt.

 

1717: Maria Sibylla stirbt mit 69 Jahren und wird damit älter als die meisten Menschen zu ihrer Zeit. Zar Peter der Große und dessen Leibarzt erwerben einen großen Teil ihrer Kunstwerke.

 

1717: Dorothea gibt posthum das dritte Raupenbuch heraus.

 

1719: Eine neue Auflage der Metamorphosis erscheint in Amsterdam. Dieses Mal nicht mit 60 sondern mit 72 Bildtafeln, die wahrscheinlich von Dorothea stammen.

 

Maria Sibylla gilt bis heute als die erste Ökologin, und als die Frau, die die Schönheit in die Kunst brachte.

Merian
Johannes Andreas Graff (1636-1701)

In Nürnberg geboren und aufgewachsen, kam Andreas Graff 1653 als siebzehnjähriger nach Frankfurt in die Malerlehre bei Jacob Marrell, dem Stiefvater Maria Sibylla Merians.

Nach dem Beenden der Ausbildung ging er 1658 auf Wanderschaft und heiratete nach seiner Rückkehr 1664 die elf Jahre jüngere Maria Sibylla.

 

Noch im Jahr der Geburt ihrer ersten Tochter Johanna Helena übersiedelte das Paar nach Nürnberg, in die alte Heimat des Andreas Graff. Dort wurde 1678 auch ihre zweite gemeinsame Tochter Dorothea Helena (1668) geboren.

 

Mit dem Tod Jacob Marrels und den einhergehenden Erbschaftsangelegenheiten, zog Maria Sibylla mit den Töchtern wieder nach Frankfurt. Andreas Graff folgte ihnen später.

 

Als Maria Sibylla mit ihren Töchtern und ihrer Mutter in die pietistische Sekte der Labadisten auf Schloss Waltha im niederländisch-friesischen Wieuwerd zogen, erhielt Andreas Graff dort keinen Einlass. Auch auf wiederholtes, flehentliches Bitten am Schlosstor, wurde ihm der Eintritt verwehrt.

 

Schließlich kehrte er zurück und reichte nach langem Zögern doch die Scheidung ein. Sie wurde ihm von Nürnberger Rat 1694 bewilligt.

Im selben Jahr heiratete Andreas Graff die dreißig Jahre jüngere Anna Maria Hofmann, mit der er noch zwei Söhne haben wird.

 

Andreas Graff galt als Pionier der Stadtansichten und Architekturmaler. Seine Werke gelten in ihrer filigranen und detailreichen Art noch immer als Meisterwerke und haben das Bild über das barocke Nürnberg bis heute geprägt.

Andreas
Johanna
Johanna Helena Herolt, geborene Graff (1668-1730)

Die ältere Tochter von Maria Sibylla Merian und Andreas Graff. Geboren noch in Frankfurt am Main vor dem Umzug des jungen Paares nach Nürnberg. Sie erhielt unter anderem von ihren Eltern schon früh eine Ausbildung im Aquarellieren, Kupferstechen und dem perspektivischen Zeichnen.

 

In Wieuwerd lernt sie Jacob Hendrik Herolt kennen und lieben. Die beiden heiraten noch dort nach dem Ritus der Labadisten. In Amsterdam angekommen, müssen sie noch einmal heiraten, da die Stadt die Eheschließung der Labadisten nicht anerkennt.

Johanna Helena formte gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrer jüngeren Schwester Dorothea Maria die Jungfern-Compagnie, in der sie Malkurse gaben, allerlei Utensilien für das Malen verkauften, Farben selbst herstellten und verkauften.

 

Außerdem haben die drei Frauen, unter Anleitung der Mutter, viele der Kunstwerke gemeinsam, meist in Arbeitsteilung, geschaffen. Da sich die Werke so besser und teuer verkaufen ließen, taten sie dies oft unter dem Namen von Maria Sibylla Merian. In der Zwischenzeit werden einige der Werke, die früher als Werke Maria Sibyllas angesehen wurden, Johanna Helena zugeschrieben. Unter anderem für Agnes Block als auch für den Moninckx Atlas hat Johanna Helena unter eigenem Namen gearbeitet.

 

Als ihre Mutter und Schwester nach Suriname reisen, bleibt sie mit ihrem Mann in Amsterdam zurück. 1700 wird ihre Tochter Maria Abigail Herolt geboren.

 

1711 zieht sie mit ihrem Mann Jacob Herolt nach Paramaribo in Suriname. Dort sammelt sie Reptilien, Fische und Insekten, um sie an Sammler in ganz Europa zu verkaufen. Außerdem sammelt sie Pflanzen für den Hortus Medicus in Amsterdam. 1714 kehrt Johanna Maria kurze Zeit nach Amsterdam zurück, nachdem ihre Mutter wahrscheinlich aufgrund eines Schlaganfalls teilweise gelähmt war. Sie malt dann wieder unter dem Namen ihrer Mutter. 1715 stirbt ihr Mann Jacob Herolt.

 

Johanna Helena stirbt im Alter von 62 Jahren 1730 in Paramaribo. Sie wird als eine wichtige Nachfolgerin ihrer Mutter angesehen.

Dorothea Maria Graff (1678-1743)

Zwischenzeitlich führte sie auch den Nachnamen ihrer Mutter, Merian. Später heiratete sie und führte dann den Nachnamen ihrer Männer, zunächst Hendriks und später Gsell.

 

Dorothea Maria wurde von ihrer Mutter im Zeichnen unterrichtet und spätestens während ihrer gemeinsamen Reise nach Suriname (1699–1701) auch im Präparieren von Insekten und anderen Tieren. Wahrscheinlich hat Dorothea Maria ihr ganzes Leben lang mit ihrer Mutter zusammengewohnt.

 

Auf dem Rückweg von Suriname lernte sie den Schiffschirurgen Philip Hendriks kennen. Die beiden heiraten nur wenige Monate nach ihrer Rückkehr. Das Ehepaar wohnte zusammen mit Maria Sibylla Merian in der Kerkstraat. Sie hatten wahrscheinlich drei gemeinsame Kinder, Johanna Dorothea Hendriks (*1706), Johannes Mattheus Hendriks (*1710) und Maria Elisabeth Hendriks. Ihr Mann Philip Henriks stirbt 1711.

In der Zeit zwischen ihrer ersten und ihrer zweiten Ehe verwendet Maria Dorothea den Nachnamen ihrer Mutter, Merian. Als Maria Sibylla 1714 wahrscheinlich aufgrund eines Schlaganfalls teilweise gelähmt ist, nimmt Dorothea Maria die Sorge um ihre Mutter auf sich.

 

1715 heiratet sie den Schweizer Maler Georg Gsell.

 

1717 verlegt Dorothea Maria posthum das dritte Raupenbuch, das letzte Buch ihrer Mutter.

 

Genauso wie ihre Schwester, hat auch Dorothea Maria über die Jahre hinweg unter dem Namen ihrer Mutter gearbeitet. Von ihrer Hand stammen oftmals die Tiere auf den Blättern. Dorothea Maria verkauft nach dem Tod ihrer Mutter alle Zeichnungen, Texte und Druckplatten der Bücher ihrer Mutter an den Amsterdamer Verleger Johannes Oosterwijk.

 

Danach folgen Dorothea Maria und ihr Mann Georg Gsell einem Ruf des Zaren Peter I. (später Peter der Große) im Oktober 1717 nach Sankt Petersburg. Seitdem arbeiten sie beiden für den Zaren. Georg Gsell wurde Hofmaler, Maria Dorothea wurde Lehrerin an der Kunstausbildung der Akademie der Wissenschaften (wie das vom Zaren gegründete Institut ab 1724 hieß) und Verwalterin der naturhistorischen Sammlung.

 

Mit ihrem zweiten Mann Georg Gsell hat Maria Sibylla vier Kinder: Eleazar Georg Gsell (*1718), Peter Gsell (*1720), Israel Benjamin Gsell (*1722) und Salomea Abigail Gsell (*1723). Außerdem malte sie für das Raritätenkabinett des Zaren vor allem Blumen und Vögel. Die „Gsellscha“ stand in hohem Ansehen und wird als die wichtigste Vermittlerin europäischer Kunst in Russland angesehen.

 

Dorothea Maria stirbt 1743 mit 65 Jahren in Sankt-Petersburg.

Dorothea
Jacob
Jacob Henrik Herolt (1660–1715?)

Der Ehemann von Johanna Helena stammt ursprünglich aus Bacharach, heute Rheinland-Pfalz. Die beiden haben sich in der Labadistengemeinde in Wieuwerd kennen und lieben gelernt.

 

Sie haben dort auch noch vor ihrer Abreise nach Amsterdam nach dem Ritus der Labadisten geheiratet. Dieser Bund fürs Leben wurde von der Stadt Amsterdam aber nicht anerkannt, und so mussten sie bei der Stadtverwaltung ein Aufgebot bestellen und noch einmal heiraten.

 

Jacob war Kaufmann im Überseehandel mit Suriname. Im Roman arbeitet er für die West-Indische Compagnie (WIC). In Wirklichkeit arbeitete er für eine Firma, die mit der WIC zusammenarbeitete.

 

1711 zog er und Johanna Helena mit ihrer Tochter Abigail nach Paramaribo um, nachdem er dort eine Stelle angeboten bekommen hatte.

 

Jacob wurde Rektor des Waisenhauses in Paramaribo. Außerdem war er der Verwalter des Erbes minderjähriger Waisen.

 

Er starb nur vier Jahre nach seiner Ankunft in Suriname.

Philip
Philip Hendriks (1671–1711/14?)

Philip Hendriks stammt ursprünglich aus Heidelberg und war als Schiffsarzt in Diensten sowohl der West-Indische Compagnie (WIC) als auch der Vereenigde Oost-Indische Compagnie (VOC).

 

Er war Schiffsarzt. Zu diesen Zeiten war ein Schiffsarzt aber kein Arzt sondern ein Chirurg. Sie wurden auch Bäder oder Barbiere genannt.

 

Einem Schiffsarzt war normalerweise kein langes Leben beschert. Zu anstrengend waren die Reisen, zu viele unbekannte Krankheiten erwarteten die Europäer in den fernen Ländern.

 

Dieses Schicksal ereilte auch auf Philip Hendriks. Die gemeinsame Ehe mit Dorothea Maria dauerte dann auch nicht wirklich lange (ca. 10–13 Jahre) – und dabei war er davon wohl auch die meiste Zeit von Berufswegen weit weg von zuhause auf hoher See.

Simon Schijnvoet (1652-1727)

Geboren in Den Haag genoss Simon Schijnvoet dort eine Sattlerlehre. Mit 27 Jahren wurde er in die Sattlerzunft in Amsterdam aufgenommen. Er sollte für den Rest seines Lebens dort wohnen bleiben.

 

Als Sattler hat er aber wohl nicht lange gearbeitet. Er arbeitete in verschiedenen Funktionen im Rathaus Amsterdams und am Gericht, unter anderem als Adjudant des Gerichts.

 

Nach dem Tod seiner ersten Frau, heiratete er 1697 Cornelia de Rijck, eine Malertochter, die sich als Kunstmalerin einen Namen machte.

 

Als Maria Sibylla Merian in Amsterdam ankam, wohnte Simon Schijnvoet in der Kerkstraat. Von 1703 bis zu seinem Tod leitete er das Waisenhaus an der Prinsengracht, wo er seitdem auch wohnte.

 

Außerdem schaffte er es aus seinem Hobby der Landschaftsarchitektur zu einem der gefragtesten Landschaftsarchitekten der Superreichen in Holland zu werden – und für Zar Peter I.

 

Simon Schijnvoet war zwar nicht sehr vermögend. Aber er war ein begeisterter Sammler. Sein Raritätenkabinett war vor allem bekannt um seine römischen Münzen. Außerdem sammelte er Zeichnungen, Drucke, Bücher sowie Pflanzen und Tiere. Für ihn war seine kostbare Sammlung vor allem auch Studienmaterial.

Simon Schijnvoet war maßgeblich an der Veröffentlichung der Amboinische Raritaetenkamer (D’Amboinschen Rariteitkamer) von Georg Eberhard Rumphius beteiligt. Für dieses Werk hat er unter anderem Maria Sibylla Merian beauftragt, Naturalien zu zeichnen.

Simon
Agnes Block (1629-1704)

Geboren in Emmerich als Tochter eines wohlhabenden niederländischen Tuchkaufmanns. Nach dem Tod ihres ersten Mannes Hans, heiratete sie den steinreichen Sijbrand de Flines, ebenfalls Tuchhändler. Sie lebte an der Herengracht.

 

Dort bekam sie jeden Freitag hohen Besuch: Der damals wohl bekannteste niederländische Schriftsteller Joost van den Vondel, er war mit einer Tante von Agens Blocks erstem Mann verheiratet, kam dann zum Essen.

Agnes Block war Papierschnittkünstlerin und Malerin. Von ihren Werken ist nichts erhalten geblieben. Der Nachwelt darum in Erinnerung ist sie vor allem als große Gartenliebhaberin und Sammlerin. Nach dem Tod ihres ersten Mannes erwarb sie an dem Fluss Utrechtsche Vecht zwischen Amsterdam und Utrecht einen Landsitz mit 150 Hektar Grund. Sie nannte den Ort Vijverhof. Hier hielt sie sich so viel und oft wie möglich auf.

 

Agnes Block war außerordentlich gut vernetzt und stand in internationalem Austausch mit Gelehrten und Sammlern. Sie war die erste überhaupt, die im gemäßigten Klima Europas eine Ananas zur Frucht reifen lassen konnte. Sie war, außer dem Hortus Medicus in Amsterdam, die Einzige die ein Gewächshaus mit einer Heizung besaß.

 

Bekannt geworden ist Agens Block vor allem als Auftraggeberin für viele Künstler*innen, um die von ihr gezüchteten Pflanzen zu zeichnen. Hierfür hat sie unter anderem auch Maria Sibylla Merian und deren Tochter Johanna, als auch Maria Withoos in den Vijverhof eingeladen.

Agnes
Nicolaes Witsen (1641-1717)

Wie Simon Schijnvoet war auch er ein Tausendsassa – nur reicher und auf noch mehr Gebieten rührig. Zwischen 1682 und 1706 war er dreizehn Mal Bürgermeister von Amsterdam – und damit einer der mächtigsten Männer Hollands.

Seit 1693 war er Bewindhebber (Direktor) der Vereenigde Oostindische Compagnie (VOC). Da Amsterdam zu einem Drittel Suriname besaß, war er Kraft seines Amtes als Bürgermeister auch in der West-Indische Compagnie (WIC) involviert.

 

Nicolaes Witsen war außerdem Kartograf und Diplomat. Fünfundzwanzig Jahre nach seiner Rundreise durch Russland publizierte er 1690 die erste Landkarte Sibiriens.

 

1671 schrieb und illustrierte er das Buch Aeloude en hedendagsche Scheepskunst en Bestier, dass zu einem Standardwerk im Schiffsbau wurde – und in Teilen noch immer seine Gültigkeit hat. Über dieses Buch kam es zu einem Briefwechsel mit Zar Peter I., der seine Flotte erneuern wollte. 1697 sorgte Nicolaes Witsen dafür, dass der Zar unter Pseudonym eine Lehre als Schiffsbauer zunächst in Zaandam und dann in Amsterdam machen konnte.

Daraufhin bestellte der Zar Kriegsschiffe bei den Amsterdamer Werften. Als Dank erteilt er Nicolaes Witsen das Recht, mit Russland Handel treiben zu dürfen.

 

Nicolaes Witsen war ein begeisterter Sammler und besaß ein großes und wichtiges Raritätenkabinett in der Herengracht 440, im sogenannten Goldenen Bogen, in dem sich die teuersten und nobelsten Grachtenhäuser Amsterdams befanden und noch immer befinden. Dort wohnte er auch.

Er erteilte Maria Sibylla Merian Zugang zu seinen Wunderkammern, sodass sie dort studieren und zeichnen konnte.

Nicolaes
Kapelka

Der Name der „Indianerin“ Maria Sibylla Merians im Roman. Wir kennen weder ihren wirklichen Namen, noch ihren eventuellen Sklavennamen. Es gilt als wahrscheinlich, aber nicht als sicher, dass sie Sklavin war. Maria Sibylla erwähnt sie an keiner einzigen Stelle, weder in den wenigen uns bekannten Briefen, noch in der Metamorphosis insectorum Surinamensium.

 

Von ihrer Existenz wissen wir nur von der Passagierliste der De Vreede auf dem Rückweg. Dort steht notiert „Maria Sibilla merain haer dogter en Indianin“, Merian Sibylla Merian, ihre Tochter und Indianerin.

 

Deshalb wissen wir auch, dass Maria Sibylla sie nach Amsterdam mitgenommen hat. Maria Sibylla musste wegen ihrer lebensbedrohenden Krankheit Hals über Kopf Suriname verlassen. Ihre Arbeit war aber noch nicht abgeschlossen. Im Moment ihrer Abreise, war sie jedoch vom Wissen um die Tiere und Pflanzen in Suriname abgeschnitten.

 

Mit Hilfe ihrer „Indianerin“, nahm sie das Wissen mit nach Amsterdam. Sie war Maria Sibylla also durchaus noch sehr nützlich, ja selbst unabdingbar, um die Metamorphosis überhaupt vollenden zu können.

 

Über ihre Zeit vor und nach bei Merian ist nichts bekannt. Sklaven gab es in der Republik nicht. Sobald Sklaven also ihren Fuß auf holländischen Boden setzten, waren sie frei. Ob ihnen das immer gesagt wurde, ob sie das immer wussten, bleibt dahingestellt.

 

Tatsache ist, dass es in Amsterdam auch schon im 17. Jahrhundert Bewohner*innen praktisch aller Hautfarben gab. Kapelka war also beileibe nicht die einzige nicht-Europäerin in diesem Schmelztiegel.

 

Im Buch sollte die für die Wissenschaft Namenlose sehr wohl einen Namen bekommen. Ich habe sie Kapelka genannt in Anlehnung an das alte niederländische Wort für Schmetterling. So schreibt Maria Sibylla selbst des Öfteren „Cappelken“, wenn sie Schmetterlinge meint.

Kapelka
Gesontu
Gesontu

Medizinfrau Gesontu ist eine der wenigen Personen im Buch, die nicht historisch belegt sind. Stärker noch, es hat sie so nicht gegeben.

In ihr komt in Die Entdeckerin der Welt das ganze Wissen zusammen, dass Maria Sibylla von den einheimischen, und in minderem Maße vielleicht auch den afrikanischen, Sklav*innen und Freien gesammelt und in ihrem Buch Metamorphosis insectorum Suranimensium oder die Veränderung der surinamischen Insekten mit aufgenommen hat.

Gesontu steht im Roman für das Wissen und die Weisheit der einheimischen und afrikanischen Sklavinnen.

Maria Sibylla war abhängig vom Wissen vor allem der Einheimischen. Nur sie wussten über die Natur Surinames wirklich Bescheid. Sie konnte sich eine gewisse Anerkennung bei den Einheimischen erwerben, weil sie wohl so ziemlich die Einzige war, die wirklich an ihrem Wissen interessiert war und nicht nur an der erzwungenen Arbeitskraft ihrer Körper.

bottom of page